waldbaden - shinrin yoku

EIN BAD IN DER ATMOSPHÄRE DES WALDES NEHMEN

Waldbaden - Shinrin-yoku

 

Shinrin-yoku ist japanisch und bedeutet übersetzt soviel wie „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“, oder auch einfach „Waldbaden“. Gemeint ist damit das Eintauchen, das bewusste Erleben und Empfinden der Natur im Wald. Somit ist es mehr als ein gewöhnlicher Spaziergang. Es bedeutet, ohne Ziel, ohne Bewertung, still und mit offenen Sinnen im Wald zu sein, zu genießen, wahrzunehmen und zu entspannen. Wir sind Teil des Waldes, baden in seiner Atmosphäre und dazu müssen wir nichts können oder leisten, nur Da-Sein.

 

Im Frühling Kirschblüten, 
 

im Sommer der Kuckuck. 
 

Im Herbst der Mond 


und im Winter der Schnee.

Zen-Meister Dogen

 

Das Gedicht heißt „Ursprüngliche Natur“ und beschreibt die ungetrübte Natur der vier Jahreszeiten. 

Es bedeutet, die Dinge möglichst so zu hören und zu sehen, wie sie sind, ohne sie durch unsere Gedanken und Bewertungen zu verfälschen. 

  

 

Die Praxis

 

Nach einer kurzen Einweisung, die mit einer Meditation verbunden sein kann, machen sich die Teilnehmer mit ihren Sinnen vertraut, um im Wald anzukommen. Durch einfache Übungen lernt man den Wald auf unterschiedliche Weise wahrzunehmen. Es gibt eine Solo-Zeit im Wald, bei der jeder für sich unterwegs ist und in den Wald eintauchen darf. Im Anschluss kann eine gemeinsame Reflexion in der Gruppe stattfinden. 

 

Bei shinrin-yoku geht es darum, seine Sinne zu öffnen, ins Spüren zu kommen und wahrzunehmen, was da ist. Es geht darum, den Wald mit allen Sinnen zu genießen: das Murmeln eines Baches hören, den Gesang der Vögel, die grüne Farbe und den Duft des Waldes wahrnehmen oder einfach die Bäume spüren. Wichtig bei alldem ist, keinen Zeitdruck zu haben. Es geht darum, den Wald auf sich wirken zu lassen, die Atmosphäre des Waldes aufzunehmen oder in den Wald einzutauchen. Man kann auch meditieren oder eine Geh-Meditation machen. In der Solo-Zeit darf man einfach seiner Intuition folgen und schauen, was sich in dem Moment stimmig anfühlt.

  

 

Wirkung

 

Der Wald wirkt regulierend. Im Wald zu sein bedeutet Entspannung, ein im wahrsten Sinne des Wortes besseres Durchatmen, hebt die Stimmung, führt zu einer besseren Intuition und mehr Lebensenergie und stärkt den Kontakt zur Natur und damit auch zu sich selbst.

 

Daneben werden Blutdruck und Puls gesenkt und Spannung, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Müdigkeit und Verwirrung werden reduziert. Die Tatkraft steigt. Das Grün wirkt beruhigend auf Herz, Nieren, bei Magengeschwüren, Allergien und Augenermüdung, es lässt Kräfte sammeln und regeneriert und stärkt das Auge für alle anderen Eindrücke. Weniger Lärm wirkt der Reizüberflutung entgegen, was beispielsweise bei Konzentrationsmangel, Kopfschmerzen oder Augen- und Hörproblemen eine Rolle spielt. Darüber hinaus helfen das Blätterdach und die Verdunstung bei Atemwegsbeschwerden und Kopfschmerzen.

 

Der Biologe Clemens G. Arvay spricht in diesem Zusammenhang vom „Biophilia-Effekt“. Wissenschafter haben herausgefunden, dass Pflanzen über sogenannte Terpene miteinander kommunizieren, um sich vor Bakterien und Feinden zu schützen. Diese Terpene kommunizieren auch mit unserem Immunsystem, wenn wir uns im Wald aufhalten.

 

Die Forscher konnten nachweisen, dass das Einatmen der Terpene zu einer deutlichen Vermehrung der natürlichen Killerzellen, einer Art weißer Blutkörperchen, führt. Diese gehören zum Immunsystem und können ab- normale Zellen wie Tumorzellen und virusinfizierte Zellen erkennen und abtöten. In einer Studie wurden die Teilnehmer nach einer Stresssituation in den Wald geschickt. Bereits am ersten Tag hatte sich die Aktivität ihrer natürlichen Killerzellen um 26,5 % erhöht, am zweiten Tag schon um 52,6 %.

 

Neben den Terpenen, die ja eher unbewusst aufgenommen werden, ist es die Gesamtwirkung des Waldes, das Grün, die Gerüche, die Geräusche, die eine beruhigende Wirkung auf den Menschen hat. Allein durch den Anblick des Waldes gehen die Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin stark zurück, bei Männern an einem Tag im Wald um ca. 30 %, bei Frauen um ca. 50 %. Diese Ergebnisse sind wichtig für Erkrankungen wie Burnout, Depressionen, ADHS und Panik- und Angststörungen.

 

 

Hintergrund

 

Der Begriff Shinrin-yoku stammt aus Japan, wo Prof. Dr. Qing Li an der Nippon Medical School in Tokio lehrt und forscht. Seit 2012 gibt es an japanischen Universitäten einen eigenen Forschungszweig „Forest Medicine“. Die Wissenschafter konnten in verschiedenen Studien die therapeutische Wirkung des Waldes belegen. Es gibt Wald-Therapiezentren, der Aufenthalt im Wald wird von Ärzten „verordnet“ und wird vom japanischen Gesundheitswesen gefördert.

 

Dr. Qing Li aus Japan hat sehr detaillierte Empfehlungen formuliert, über allem steht jedoch, dass man sich immer nach seiner persönlichen Konstitution und seinen Bedürfnissen richten soll. Hat man einen ganzen Tag zur Verfügung, empfiehlt er, in etwa vier Stunden fünf Kilometer zurückzulegen. Hat man nur einen halben Tag Zeit, halbieren sich die Werte. Um das Immunsystem zu stärken, rät er zu einem dreitägigen Waldbad, etwa einmal im Monat. Möchte man „nur“ Stress reduzieren, reicht ein Tagesausflug in ein nahe gelegenes Waldgebiet. Er macht auch deutlich, dass es sich dabei um eine vorbeugende Maßnahme handelt. Wer krank ist, muss zum Arzt oder Heilpraktiker, nicht in den Wald.

 

Wir wurden so geschaffen, dass wir in eine natürliche Umgebung passen“, fasst Miyazaki seine Erkenntnisse zusammen. „Wenn wir uns inmitten der Natur aufhalten, werden unsere Körper wieder zu dem, was sie einmal waren.“

 

Warum sollte es notwendig sein,

um irgendetwas zu ringen.

Grün sind die Gewässer, blau die Berge.

In sich ruhend,

betrachtet der Hirte den Wandel der Dinge.

Die Ströme fließen, wie sie fließen,

und rote Blumen blühen von selber rot.

Kakuan Shien

 


Praktische Hinweise

Bitte bring dir ein kleines (faltbares) Sitzkissen oder eine kleine Decke mit, die sich in deinem Rucksack verstauen lassen, sodass du beim Einstimmen oder in der Solo-Zeit entspannt auf dem Boden sitzen kannst.  

Denke je nach Jahreszeit auch an Insektenschutz, so dass du dich wohl fühlst, wenn wir uns längere Zeit im Wald aufhalten.